Samstag, 8. August 2015

Fermentierter Krautsalat (und ein paar generelle Tipps)



Herr C. ist ein Sauerkrautvernichter erster Güte. Allerdings reden wir hier nicht von dem in Dosen eingepferchten Zeug, sondern von frischem, rohem Sauerkraut. Er kauft es sich säckchenweise, zum Beispiel auf einem Markt oder im Bio-Laden, und isst es dann als Salat. Früher fand ich diese Vorliebe, mit Verlaub, ziemlich pervers. Sauerkraut konnte ich schon als Kind nicht leiden, obwohl meine Mutter die Dosenware ganz nett aufpimpte. Und dann lerne ich den Mann meines Lebens kennen und der pfeift sich ROHES Sauerkraut en masse rein! Gipfel der Ekligkeit! Das musste ich erst einmal verdauen. Jahre später bat ich ihn um eine Kostprobe aus einem frisch erworbenen Säckchen. Verwundert stellte ich fest, dass ungekochtes Sauerkraut ganz anders schmeckt als die eingedosten Versionen. Anders und gut. Erstaunlich.


Mutig geworden, brachte ich nun öfters Kostproben von diversen Ausflügen mit. Einige waren hervorragend, andere ganz okay. Das schlimmste Erlebnis hatten wir mit einer überteuerten Portion eines bekannten demeter-Gemüseproduzenten. Das Kraut schmeckte nach Plastik, hatte keinerlei wahrnehmbare Säure und war gummig-lätsch. Verärgert beschloss ich, dass ich das besser kann. Herr C. lachte mich natürlich kräftig aus. Doch bald blieb ihm das Lachen im Hals stecken, denn meine Experimente waren essbar, im Gegensatz zum demeter-Kraut. Allerdings hatte ich gleich mehrere Abkürzung genommen: Kleine Portionen, weniger Salz und abgekürzte Gärzeit. Denn mein Schwerpunkt liegt nicht auf der Haltbarmachung/Bevorratung von unzähligen Kohlköpfen, sondern auf der Herstellung von Salaten und Beilagen für den baldigen Verbrauch. Diese halten sich, wegen der verkürzten Fermentierung, nur ein bis zwei Monate, aber das reicht uns völlig. Nach spätestens einer Woche sind die Gläser sowieso leer.


Generell gilt: Je feiner Kraut und anderes Gemüse gehobelt oder geschnitten wird, desto schneller kommt die Milchsäuregärung in die Gänge. Ein Hobel und eine Julienneraffel sind hierbei sehr nützlich, aber keine Voraussetzung. Ein scharfes Messer und ein grosses Brett tun es auch. Die Salzmenge sollte nicht mehr als 1-2% des Gemüsegewichtes betragen. Am besten eignen sich Gläser mit Bügelverschluss oder Weckgläser. Es funktioniert auch mit ganz normalen Einmachgläsern mit Drehverschluss, dann aber denn Deckel nicht ganz zudrehen oder täglich aufdrehen, um Druck abzulassen. Die ideale Temperatur liegt zwischen 18 und 22 Grad, und direkte Sonnenbestrahlung ist eher kontraproduktiv. Weil sich die oberste Schicht auf alle Fälle unappetitlich braun verfärbt und schlimmstenfalls zu schimmeln beginnt, sollte nicht ohne Abdeckung und/oder Beschwerung fermentiert werden. Am einfachsten geht es mit einem Kohlblatt, das auf die entsprechende Grösse zugeschnitten wird. Damit das Gemüse gänzlich unter der Lake schwimmt, beschwere ich alles noch mit passende Porzellanuntersetzern oder durchsichtigen Teelichthaltern aus Glas. Andere Varianten sind spezielle Gärtopfgewichte, Abstandhalter aus Plastik, abgekochte Steine oder mit Wasser gefüllte Ziploc-Beutel. Bitte unbedingt darauf achten, dass als Beschwerung keine Gegenstände aus Bleikristall oder Plastik, welches nicht lebensmittelecht ist, verwendet werden. Füllstopp ist spätestens 5 cm unterhalb des Glasrandes, damit während der heissen Phase nichts überläuft. Meine Devise lautet: 4/5 Gemüse und 1/5 Luft. Zur Sicherheit stelle ich die Gläser aber immer noch in einen Suppenteller. Falls die Lake rausblubbert, sammelt sie sich zumindest ordentlich im Untersetzer. Habe ich noch etwas vergessen? Ah ja, die Fermentationszeit. Die richtet sich ganz nach eurem Geschmack. Mindestens zwei, maximal sieben Tage bei mir. Probieren geht hier definitiv über studieren. Und Kostproben werden selbstverständlich nur mit sauberem Besteck entnommen, gell? Dann entweder noch länger draussen stehen lassen oder wenn der Geschmack passt, in den Kühlschrank verfrachten. Seit ich meine Küche in ein riesiges Fermentierungslabor verwandelt habe, schleicht Herr C. beinahe täglich zum Kühlschrank und mopst sich voller Freude Schüsselchen voll Krautslaw, Karottensalat oder fermentierter Salsa. Ein grösseres Kompliment könnte er mir gar nicht machen.


Für ein Glas mit 1 Liter Fassungsvermögen:

  • 1 kleiner Kopf Weisskraut, ca. 600 Gramm 
  • 2-3 grosse Karotten
  • 2 mittlere Spitzpeperoni
  • 1 grosser Apfel
  • Meersalz
  • 1 Knoblauchzehe, in Julienne
  • 4 Wacholderbeeren
  • 2 Pimentkörner
  • 1 Lorbeerblatt

Zuerst den Krautkopf vom äussersten Blatt befreien, waschen und fein hobeln oder schneiden. Strunk entsorgen. Karotten sauber schrubben oder schälen, Enden kappen und in feine Juliennestreifen hobeln oder schneiden. Peperoni waschen, Stielansätze, Scheidewände und Kerne entfernen. In feine Streifen schneiden. Apfel schälen und ebenfalls in Julienne hobeln. Vorbereitetes Gemüse wiegen, um die passende Salzmenge zu ermitteln. 

450 gr Kraut + 150 gr Karotten + 80 gr Peperoni + 130 gr Apfel = 810 Gramm

810 Gramm : 100 = 8,10 Gramm Salz = 1 Prozent der Gemüsemenge

Alle Zutaten in einer grossen Schüssel vermischen und etwa 15 Minuten mit den (behandschuhten) Händen durchkneten, bis das Gemüse weicher geworden und reichlich Saft ausgetreten ist. Schüssel abdecken und 10 Minuten durchziehen lassen. Unterdessen Glas, Deckel und Gummi gründlich mit heissem Wasser und Spülmittel reinigen, mit reichlich kaltem Wasser nachspülen. Oder das Glas mit kochendem Wasser füllen und mindestens 5 Minuten stehen lassen. Sterilisieren ist wahrscheinlich übertrieben, aber ich halte niemanden davon ab. Krautsalat in das vorbereitete Glas umfüllen und mit einem Stampfer oder Löffelrücken kräftig zusammendrücken, damit so viele Luftbläschen wie möglich herausgedrückt werden. Ausserdem soll der Saft das Gemüse mindestens einen Zentimeter hoch bedecken. Sichtbare Lufteinschlüsse mit einem Essstäbchen oder Löffelstiel anpiksen. Mit einem oder mehreren gewaschenen Blättern abdecken und beschweren. Deckel schliessen, Suppenteller unter dem Glas platzieren und an einem warmen Plätzchen fermentieren lassen.


Die ersten 12-24 Stunden wird sich nicht viel tun, aber innerhalb der nächsten 24-48 Stunden werden zuerst kleine, dann grössere Bläschen sichtbar. Eventuell setzt sich unten die Flüssigkeit ab und der Salat wird nach oben gedrückt. Keine Panik, das ist alles ganz normal. Und wie schon oben geschrieben, regelmässig verkosten. Wenn der gewünschte Säuregrad erreicht ist, das Glas in den Kühlschrank stellen. Dadurch wird die Fermentation massiv verlangsamt. Wahrscheinlich wäre der Glasinhalt noch länger haltbar, aber ich empfehle, ihn innerhalb eines Monats aufzubrauchen. Wird eine längere Haltbarkeit gewünscht, muss die Fermentationszeit verlängert und eventuell die Salzmenge erhöht werden. Krautslaw schmeckt pur schon sehr gut, kann aber auch beispielsweise mit geröstetem Sesamöl und Pfeffer verfeinert werden.

9 Kommentare:

Sabine hat gesagt…

Das mit den besseren Ergebnissen bei Bio-Gemüse ist bestimmt keine Einbildung: Bei dem sitzen auf der Oberfläche einfach vielfältigere Bakterienstämme als bei mineralgedüngtem und pestizidbehandeltem. Und die Bakterien starten ja die Fermentation. Dein Kraut-Slaw klingt lecker!

Anonym hat gesagt…

Yum! Zum Glück lieben bei uns beide das herrliche Kraut. Vor Urzeiten habe ich auch schon einmal selbst welches gemacht, hatte sogar so einen speziellen Gärtopf geliehen. Aber ich hatte den Kohl nicht fein genug geschnitten bekommen. Geschmacklich war's Ok, aber nicht überwältigend. Vielleicht sollte ich es noch einmal probieren???

sin-die-weck-weg hat gesagt…

Das ist ja witzig! Bei mir im Keller steht sowas Ähnliches rum (http://www.wildefermente.de/currykraut/) und wartet darauf, probiert zu werden...
Bei dem Tomaten-/ Mozarellamix habe ich übrigens zu lange gewartet (knapp über 1 Woche; zwangsläufig... Urlaub!). War auch blöd, das direkt davor anzusetzen... Und dann die Hitzewelle! Werde das aber nochmal ausprobieren!!! Gekippt sind die Mozarellabällchen... :-(

milchmaedchen hat gesagt…

Ich gehöre tatsächlich auch zu denen, die bisher nur das Zeug aus Dose und Glas kennen. Weil ich z. B. selbstgemachtes Kimchi ausgesprochen schätze, sollte ich's wohl bei Gelegenheit mal auf einen Versuch ankommen lassen, was?

Cooketteria hat gesagt…

@ Sabine
Theoretisch hast du vollkommen recht. Allerdings habe ich persönlich in der Praxis leicht andere Erfahrungen gemacht. Der Unterschied bei den verschiedenen Batches entstehen, meiner Meinung nach, eher durch die Temperaturunterschiede während der Gärungszeit. Kann halt leider nicht behaupten, dass die Gärung mit Bio-Gemüse immer besser/schneller/sicherer verläuft. Natürlich ist Bio-Gemüse prädestiniert, aber wer gerade keines zur Hand hat/lieber beim konventionellen Bauern um die Ecke einkauft oder ähnliches, kann auch mit "normalem" Gemüse starten und das Ergebnis muss dann nicht zwangsläufig schlechter ausfallen. Das wollte ich eigentlich damit zum Ausdruck bringen. :-)

Cooketteria hat gesagt…

@ Kochpoetin
Wie schon erwähnt: Probieren geht über studieren. :-)
Der Vorteil bei der Milchsäuregärung im Glas ist ja, dass man auch ganz kleine Batches ansetzen kann. Wenn es nicht schmeckt, muss man sich nicht drei Monate auf dem Teller damit herumplagen.

Cooketteria hat gesagt…

@ Frau Weck
Muss ich mir gleich einmal anschauen. Danke für den Tipp.
Schade, habe mich schon auf deinen Bericht dazu gefreut.
Aber es eilt ja nicht. Das Küchenbuffet ist gerade gerammelt
voll mit blubbernden Gläsern, da hätte ein weiteres gar keinen
Platz mehr. ;-)

Cooketteria hat gesagt…

@ milchmädchen
Yep, könnte eine gute Idee sein.

Anonym hat gesagt…

Hallo, vielen Dank für das Teilen dieses Rezepts. Ich habe nach etwas gesucht, was in Richtung Curtido geht, aber keine Zwiebeln und Oregano enthält. Das Ferment ist superlecker geworden. Ich habe gleich 1,5 % Salzverhältnis genommen und 4 ½ Tage bei Raumtemperatur fermentieren lassen. Heute ist der Salat in den Kühlschrank gezogen und wurde schon zu Mittagszeit verköstigt.